Bereits zum achten Mal stieg nun das Schwelmer "Return of Rock"-Festival im
Kolpinghaus. Diesmal mit einer gewagten Musikrichtung, die aber - ohne etwas
vorweg zu nehmen - völlig aufging.
Um die Umbauphasen erträglicher zu gestalten, wurde der Singer/Songwriter ALEX AMSTERDAM aus Düsseldorf
verpflichtet. Dieser legte auch gleich mit drei Songs los. Vergleichbar mit
Jack Johnson, ohne dessen Surfeinschlag, und mit einer Stimme, die manchmal an Brian Molko in dessen ruhigen Momenten errinerte. Schön das Ganze. Die erste Band des Abends hatte bereits ihr Bühnenbild, bestehend aus leuchtenden Gasmasken und aufgehängten Schutzanzügen aufgebaut. Eine dicke Nebelwand, die von zwei Laserkanonen durchbrochen wurde, leitete dann auch den Beginn der Cyber-Gothik-Rocker DEKADENZ ein. Da ich bereits viel im Vorfeld über diese Band gehört habe und selber mindestens vier lange Jahre die Zeitschrift Sonic Seducer gelesen habe, konnte mich diese Band
überraschenderweise beeindrucken. Sisters of Mercy-mäßig ohne Schlagzeug,
aber mit einem Drumcomputer, legte Sänger L.O.S. mit tiefer Growlstimme los.
Der Keyboarder @noize, der dem früheren Twiggy Ramirez verdammt ähnelt,
hinterließ durch schwerfällige Soundwälle, aber auch durch schnelle
technoide Passagen starken Eindruck, genau wie Virus am Sechssaiter und
P_Dead am Fünfsaiter. Die auf deutsch gesungenen Stücke handelten von
morbiden Themen wie "Das Menscheitsgrab" oder vom Träumen bei "Träumer". Wenn ich einen Vergleich nennen müsste, würde mir Tyske Ludder ohne deren Sprachsamples einfallen. Beim abschließenden "Hörst Du die Engel singen" könnte man den Song durch eine hohe Singstimme sogar noch besser machen. Insgesamt gesehen wirkte der Gig, besonders durch die Lichttechnik, sehr professionell und dies wurde auch vom Publikum mit gutem Applaus gewürdigt.
Nach diesem doch sehr schweren Brocken bediente die folgende Combo BAND3 aus Essen die Zuhörer mit leichterer Kost. Schöner deutscher Rock war nun
angesagt, dessen Refrain man schon beim ersten Hören laut mitsingen konnte. Los ging es mit "Liebe, kann sein" und "Entschuldigung". Die Stimme von Sänger Macke erinnerte zwar bei einigen Songs an Kai Havaii von Extrabreit, hatte aber auch was Eigenes. Der Vergleich zu Extrabreit im musikalischen folgte dann auch bei dem Song "Gewinner". Dass diese Band Partystimmung verbreiten kann, merkte man daran, dass sie die Kiddies im Publikum nach vorne holten, um mit ihnen lautstark den Refrain von "Alles wird gut" zu brüllen - das schafft auch nicht jede Band. Die Songs machten einfach Spaß und bei manchen im Publikum wollte die Hüfte nicht mehr stillstehen. Der letzte Song "Männer wie wir" erinnerte mich persönlich stark an Rudolf Rock & die Schocker. Wer auf guten deutschen Rock steht, sollte diese Band mal antesten.
Ein Heimspiel hatte dann mal wieder die Crossoverformation ZENFU, die auch
gleich mit dem Kracher "Believe" starteten, der vom live doch besser als auf
Platte rüberkommenden Song "Frei" abgelöst wurde. Das etwas ruhige "Far
away" folgte und auch "Gott" durfte nicht fehlen. Etwas für die Frauen gab
es natürlich mit "Engel", der aber von der Knüppelhymne "Nightwolf" abgelöst
wurde. Leider waren die HipHopper von The 5th Element heute nicht am Start
und somit konnte man nicht die gesamte Tracklist der neuen Platte
"Zeitreise" spielen. Erfreulich dafür aber war, das es mal wieder neuen
Stoff in Form des Liedes "Tiefblau" gab. Erster Eindruck: Irgendwo zwischen
Rammstein (textlich) und Megaherz (musikalisch). Mein persönlich folgender
Lieblingssong "Sehnsucht" wurde dann am Anfang total verhauen, konnte aber
insgesamt überzeugen. Jedenfalls besser als "The right way", wo mir immer
noch ein wenig die Power fehlt. Raptechnisch konnte Sänger Sebastian dann
bei "Babysitter" loslegen, genau wie Gitarrist Quitschi am Anfang bei
"Chefsache". Übrigens verstärkt selbiger den Sound von ZENFU immer mehr, da dieser natürlich durch die zweite Gitarre viel druckvoller daherkommt. Dies
ist besonders im Queens of the Stone-mäßigen Song "U.F.O." zu merken, der
refraintechnisch immer mehr ins Ohr geht und beim Publikum immer mehr auf
Zustimmung stößt. Die Bandhyme "Zenfu" wurde dann noch richtig abgefeiert
und das folgende "Großraumbrand", dass Sebastian allein rappte, wurde auch
umjubelt. Spieltechnisch nicht der beste Auftritt der Band, aber die
Stimmung war wieder prächtig.
Bei der folgenden Band ahnte ich schon wieder Schlimmes, doch es kam ganz
anders. Ich möchte es mal so ausdrücken: Musikalisch trifft eine Mischung
aus Iron Maiden, Pink Cream 69 & Judas Priest mit einer Stimme die irgendwo
zwischen Bruce Dickinson, Blackie Lawless (W.A.S.P.) und Bernie Shaw (Uriah
Heep) liegt, auf das Aussehen von einer Mischung aus U.D.O., Exodus & der
Rudolf Schenker Group. Bei Songtiteln wie "Roll of the dice", "I´m alive",
"Lonely rider" & "Straight down to hell" hätte ich bestimmt - falls
vorhanden - meine Matte die gesamte Zeit geschüttelt. Diese Band verbreitete
eine wahnsinns Stimmung unter dem Publikum und besonders die doch recht
jungen Kerle im Publikum rockten mit wie Sau. Und nicht nur das: Der Sänger
entlockte dem Publikum immer wieder den Spruch "Auf jeden Fall" zu jeder
Frage, die er herausschrie. Auch wenn ich mir nie eine CD von dieser Band
holen würde, verdient sie meinen vollen Respekt, denn hier merkte man, dass
Profis am Werk waren, die bestimmt nicht umsonst bereits auf dem Wacken Open Air gezockt haben. Schade nur, dass durch das Schrotten der Gitarrenbox beim Song "On the road again" der Auftritt etwas verkürzt wurde.
Die Ennepetaler PALLIUM hatten es dann schwer diese Stimmung zu halten, aber bereits mit der Rock´n´Roll-Hyme "Oh Caroline" ging es munter weiter. Der neue Song "Für mich" wurde zwar durch einen Verspieler von Gitarrist
Giuseppe arg unterbrochen, prägte sich aber sofort positiv ein. Der Song
"Der letzte Tag" folgte und bei "Der Weg ist das Ziel" konnte Gitarrist Jörg
mit einem fulminaten Solo überzeugen. Dieser begann auch gleich mit einem
solchen beim dem ebenfalls neuen Song "Wenn der Löwe". Da ich die Band hier zum zweiten Mal richtig bestaunen konnte, freute es mich einerseits, dass
immer mehr deutsche Lieder ins Repertoire einfließen und dass der
Mitgröhlsong "Schöner ohne Dich" anscheindend den für mich doch recht
platten Song "Die Sonne scheint" abgelöst hat. Vergleiche für diese Band
kommen zwar nicht ohne die Böhsen Onkelz aus, mir, für meinen Teil, fallen
aber auch spontan Keilerkopf und Die Jünger ein. Für die Zugabe musste sich
Sänger Hami nach Ansage von Bassist Dom noch obenrum nackig machen und gab nochmal alles bei "Die for Rock n Roll". Das Publikum bedachte die Band mit viel Applaus.
Dann war ich persönlich sehr gespannt auf den Auftritt von SEMIKOLON, der
wohl so einzigartig bleiben wird. Sänger Bob musste nämlich alleine ran. Nur
mit einer E-Gitarre und einem Keyboard (natürlich mit Dekadenz-Sticker)
startete er mit "Die Ezzenz der Dezenz". Ein spontan erfundendenes Lied
folgte, in dem Veranstalter Steve auch gewürdigt wurde. Um dem Publikum die
Chance zum Mitsingen zu geben wurde dann "Tolle Wolle" angestimmt. Das Bob Entertainer-Qualitäten aufweisen kann, merkte man, da es bei seinem doch sehr eigenwilligen Set auch zu dieser späten Stunde nie langweilig wurde.
Recht spannend wurde es sogar bei der Parodie auf die Band Dekadenz, die
aber leider wohl schon abgereist waren, zumindest gab es keine Protestrufe.
Im Hintergrund wurde schon die Bühne abgebaut, was Bob aber nicht am
Weitermachen hinderte. Zum Schluss kamen die Fans, die noch ausgeharrt
hatten, alle auf die Bühne um ihn beim Refrain zum Song "Im Kreisverkehr"
tatkräftig zu unterstützen. Ihr merkt schon, schwer zu beschreiben das
Ganze, aber man kann es auch in einem Wort ausdrücken: Großartig!
FAZIT: Für mich persönlich vielleicht die beste Ausgabe von Return of Rock,
schon allein wegen der unterschiedlichen Musikrichtungen, die, so
verschieden sie auch waren, alle beim Publikum ankamen.